Myanmar

Über Schlagzeuge, Tempel und Elektroroller

Es fiel uns bis jetz noch nie so schwer den Bericht zu verfassen wie dieses mal. Ganz einfach aus dem Grund da wir alle Facetten dieses so faszinierenden Landes hineinpacken wollten. Doch haben wir dieses Ziel wärend des Schreibens schnell aufgegeben müssen. Denn erstens waren es einfach viel zu viele Eindrücke, Momente und Erlebnisse und zweitens bräuchte man, wenn das ganze Wesen eines Landes in Worte zu fassen wäre, ja nicht mehr zu Reisen

Angekommen in Myanmar stellten wir erstmal fest, dass es sich von Thailand etwa so unterscheidet, wie sich Thailand selbst von der Schweiz unterscheidet. Yangon selbst ist ein farbenfroher, und vorallem freundlicher ehtnischer Mix welcher sich quirlig und chaotisch durch diese Stadt bewegt. Yangon ist vermutlich die einzige Stadt in der es keine, für asiatische Städte sonst so charakteristischen, Motorräder gibt. Nachdem ein hochrangiger Militäroffizier in den Neunzigerjahren von einem Motorrad angefahren wurde, hatte er die knatternden Freunde gleich aus der Stadt verbannt. Doch auch ohne die Motorrader birgt der Verkehr in Yangon wohl das grösste Risiko für Leib und Leben. Das Überqueren der teilweise sechsspurigen Strassen mitten in der Stadt ist echt eine Mutprobe. Auch die sehr wenigen Fussgängerstreifen dienen kaum der Sicherheit des Fussvolkes, sondern helfen einfach die Orte wo Fussgänger angefahren werden, örtlich festzulegen. 

Nach unserer ersten Nacht in Myanmar haben wir die Swedagonpagode besucht, dem für die Burmesen heiligsten aller heiligen Heiligtümer. Dem Sittenhüter am Eingang war die Kleidung von Domi etwas zu kurz obwol sie bis jetzt immer den budistischen Richtlinien entsprach. Das Kleidungsstück das sie kaufen musste, um doch noch Einlass zu bekommen, wurde zwar auf einem Bild festgehalten die Veröffentlichung aber, von der Besitzerin der Rechte, mit allen Mitteln verhindert. Da wir keine Lust auf weitere Pagoden hatten, kauften wir uns am nächsten Tag ein Ticket für den Circular Train, welcher in einem grossen Loop durch die Vorstädte und Slums der Millionenstadt führt. Es ist keine Touristenattraktion sondern hald einfach das normale Leben was in diesem Land oft viel spannender ist, alls sich an den Touristenorten in die Gefahr zu begeben, von wild gewordenen Chinesischen Hobbyfotografen mit ihren zwei Meter langen Teleobjektiven erschlagen zu werden. 

Nach drei Tagen in Yangon sind wir mit dem Zug zwei Stunden in den Norden nach Bagu gefahren.

Zugfahren in Myanmar ist ein wahres Abenteuer. Das ganze Rollmaterial sowie das Schienennetz stammt aus den 50er Jahren und wurde seither auch kaum gewartet. Man wird so richtig durchgeschüttelt und dies in alle möglichen Richtungen. Genauso spannend wie das Zugfahren selbst, ist auch der Kauf von Billetten. Wie so oft in Myanmar fühlt man sich auch hier einige Jahrzehnte zurückversetzt. Man wird vom Schalter direkt ins Büro gebeten und aufgefordert doch Platz zu nehmen. Ich lehnte dankend ab. 

Kurz vor der Pensionierung stehende Telefonistinnen würden sich in diesen Räumen schlagartig mit ihren Lehrjahren konfrontiert sehen. Die Telefonverbindungen werden noch gesteckt, die Wählscheiben der Telefone rattern und nachdem man sicher ist, dass der Ort, welcher der Ticketverkäufer verstanden hat mit unserer Wunschdestination übereinstimmt, werden Bücher aufgeschlagen, Abfahrtszeiten rausgeschrieben, Telefonate geführt, über Anschlusszüge diskutiert und Preise nachgefragt bis man schlussendlich das, von Hand geschriebene, und drei mal durchgeschlagene Ticket in der Hand hält. Wie gesagt wollte ich nur beim ersten mal lieber stehen. 

Unser nächster Stop war Kalaw in den Bergen des Shan State. Um dorthin zu gelangen waren aber 19 Stunden Zugfahrt von Nöten. Dank recht bequemen Sitzen, einigen Minuten Schlaf und einem interessanten Gespräch mit einem Mönch gingen die ersten 12 Stunden recht zügig vorbei. In den verbleibeden 7 Stunden schaffte der Zug gerade mal 70 km. Trotz Schritttempo schwankte der Zug auf der steilen und kurvigen Strecke aber so stark, dass die Gepäckstücke von den Ablagen fielen. Einem schweren Rollkoffer blieb nur dank Domis Kopf der harte Aufprall auf dem Boden erspart.

In Kalaw angekommen haben wir uns dazu entschlossen die 68 km bis zum Inle Lake zu Fuss zurückzulegen. Da die Wege nicht gekennzeichnet sind, es kaum Karten gibt und es noch nicht geräumte Mienenfelder gibt, ist man auf einen lokalen Guide angewiesen. Unser Führer stellte sich als Terence vor, dies aber nur weil sein richtiger Name für Europäische Zungen ein gewisses Verletzungsrisiko birgt. 

Er führte uns zwei über Hügel, durch Bäche und Schlamm, vorbei an kleinen Dörfern und Tempel und organisierte uns die Übernachtungsmöglichkeiten. Er war echt aufgeschlossen und beantwortete uns jede gestellte Frage. Auch über die konfliktreiche Vergangenheit und die politische Zukunft seines Landes und erklärte uns viele Zusammenhänge welche in europäischen Berichterstattungen nicht erwähnt werden. Dies ist alles andere als selbstverständlich, da sich Burmesen sonst gar nicht, oder nur sehr vorsichtig über diese heiklen Themen äussern

Geschlafen haben wir in zwei kleinen Bergdörfern im Haus von dort lebenden Bauernfamilien. Erst seit kurzem ist es Familien erlaubt Touristen bei sich aufzunehmen und sich so etwas dazu zu verdienen. Das Leben in diesen Dörfern wirkte auf uns teilweise wie eine perfekt gemachte "Mittelalter Filmkulisse", irgendwie surreal.

Einige Abschnitte des Treks führten entlang der Zugschienen was uns einerseits die Erklärung für das geholpere gab, andererseit das Vertrauen in dieses Verkehrsmittel nicht gerade stärkte. 

Trotz Trockenzeit hatte es während den drei Tagen immer wieder geregnet was die Wege ziemlich aufgeweicht hat. Bei jedem Schritt ging je nach Schlammkonsistenz entweder die Hälfte der Energie nach hinten los oder die Schlammschicht addierte sich an den Sohlen stetig. So waren die fast 70 km alles andere als ein Spaziergang und wir haben uns selten so auf eine Dusche und ein richtiges Bett gefreut wie an unserem Ziel in Nyaungshwe. Es gab zwar in den Dörfern kleine offene Waschplätze doch das eiskalte Wasser bei einer Lufttemperatur von etwa 12 Grad war für uns privatsphäreliebenden Warmduscher doch etwas zu ungewohnt für eine gründliche Ganzkörperreinigung. Nach einem Tag ohne grosse Unternehmungen (der Kopf wollte zwar, aber unsere Beine verweigerten jede Art von Arbeit) haben wir mit einem ördlichen Boatsman eine Bootstour über den Inlesee gemacht. Die Menschen, die rund um oder besser gesagt auf dem See leben, nennen sich Intha – „die Menschen vom See”. Die Intha stammen ürsprünglich aus einer anderen Gegend des Landes welche sie vor mehreren hundert Jahren aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen verließen. Sie leben heute als Fischer, Bauern oder Handwerker in Pfahlbausiedliungen direkt auf dem See. Vorallem ihre spezielle Rudertechnik ist bemerkenswert. Auf den schmalen Booten balancierend, schlingen sie einen Fuß um das Ruder und bewegen es im Stehen. So bleibt die andere Hand zum Fischen frei. Wir werden sicher beim Surfen in Neuseeland oder Australien wieder an ihr Gleichgewichtssinn denken. 

Außerdem lässt sich mit dieser Rudertechnik in den schmalen Kanälen gut zwischen den von ihnen angelegten schwimmenden Gärten manövrieren. Die schwimmenden Beete müssen auch in der Trockenzeit nicht getränkt werden und tragen so fast das ganze Jahr Früchte.

Nach einem weiteren Tag am See sind wir mit dem Nachtbus nach Mandalay gefahren. Nachtbusse sind zwar eine gute Sache da man sich eine Übernachtung in einem Hotel sparen kann, doch sind in Myanmar die Zeiten so komisch gewählt das man zwischen 3 und 4 Uhr früh am Ziel ankommt. Man steht dann hald mitten in der Nacht an irgendeinem Busbahnhof auserhalb der Stadt. 

Mandalay gilt als das kulturelle und religiöse Zentrum von Myanmar. Da die Burmesische Kultur unzertrennlich mit der Religion verbunden ist, gibt es kaum ein Fest für dass es nicht irgendwelche religiösen Utensilien braucht. Aus diesem Grund gibt es in dieser Stadt unzählige Blattgoldschläger, Buddhaschnitzer, Steinmetze, Bronzegiesser und Kunstmaler sozusagen die Zulieferer der Religionsindustrie. Mandalay beherbergt mit der sitzenden Mahamuni-Statue („erhabener Weiser“) die mit Abstand meistverehrte Figur Myanmars, welche neben der Shwedagon-Pagode und dem Goldenen Felsen zu den Hauptpilgerzielen des Landes zählt. Sie ist 3,80 m hoch und war ursprünglich eine Bronzefigur, die im Laufe der Zeit von den Gläubigen fast bis zur Unförmigkeit mit Blattgold bedeckt wurde. Das Gewicht des aufgeklebten Goldes wird mittlerweile auf bis zu 12 Tonnen geschätzt. Aus unserer Sicht eine viel fotogenere Art Gold zu lagern, als es unter irgendwelchen Banken zu stapeln. Die Verehrung dieser Buddhastatue geht soweit das ein Mönch ihr jeden Abend das Gesicht wäscht und die Zähne putzt.

Von Mandalay aus haben wir uns auf den Weg nach Bagan gemacht.

Ein Besuch in Bagan gehört zu einer Myanmarreise einfach dazu. Leider wissen das auch die Tourismusverantwortlichen. So muss man bereits an der Busstation 40 Dollar bezahlen um nur mal ins Stadtgebiet zu gelangen. Auch alles andere scheint hier einfach mal 10% teurer zu sein als im Resten des Landes. Doch um ehrlich zu sein ist dieses 36km2 grosse Gebiet, mit über 3000 Pagoden und Tempel jeden Dollar wert. Die ältesten Bauwerke sind über 1000 Jahre alt. Sie stammen aus einer Zeit, wo unser nächstes Ziel Neuseeland nicht mal Bevölkert war. Um die weit auseinanderliegenden Tempel zu besichtigen gibt es kleine Elektroroller zu mieten. Wir hatten bereits während wir die ziemlich doof aussehenden Fahrzeuge über die Acker jagten ein ungutes Gefühl ob sie unserer Fahrweise auch standhalten. Die Antwort war Nein. Zwei platte Reifen waren die Folge. Dank Lea die in Bagan als Ballonpilotin arbeitet und zu unserem Glück auch an ihrem freien Tag Tempel besichtigt, konnte schnell Hilfe gerufen werden. Da wir drinngend noch ein Busticket besorgen mussten, fuhr Domi zurück in die Stadt und ich wartete bei der Sulemani Pagode weit draussen in Bagans Pampa auf den Abschleppdienst. Ich war ziemlich froh, als die Lichter auftauchten, da etwa 8 Hunde mir mit lautem Knurren klarmachten, dass es für sie heute Tourist zum Abendessen gibt. An dieser Stelle noch einen Dank an Lea, Phillip und Stefanie für den gemütlichen Schweizerabend.

Am nächsten Tag haben wir uns mit Fahrrädern begnügt welche den vielen Tempeln in ihrem ruinösen Zustand in nichts nach standen. Uns tat bereits vom Anschauen der Arsch weh, doch blieben an diesem Tag wenigstens die Reifen ganz.

Neben fast jeder Pagode stehen Verkäufer welche von ihm und seiner Familie angefertigte Sandbilder verkaufen. Wenn das wirklich stimmt, müssen hier inzestiöse Praktiken im Spiel sein, denn alle Verkauften die genau gleichen verdammten Sandbilder und so gross kann keine Familie sein. Wir sind ja wirklich geduldige Menschen, aber wenn man 50 mal mit den Worten where you from? Switzerland! Ahh good Chocolate, I have Sandpaintings my friend angesprochen wird nervt das mit der Zeit echt ein wenig.

Von Bagan aus sind wir nach 14 Stunden Busfahrt nach Pathein im Süden des Landes gereist.

In Pathein wollten wir eine Werkstatt besichtigen in der die bekannten Schirme aus Bambus hergestellt werden. Wie so oft in Myanmar sind wir aber auf dem Weg zu einem Ziel etwas vom Weg abgekommen. Pessimisten würden dies Verlaufen nennen, wir bevorzugen "offener Weg der Zielfindung". Gerade bei diesen Abstechern sind wir immer wieder in ziemlich unerwartete Situationen geraten. So durfte Dömi sein Können beim Chinlone unter Beweis stellen, einem uralten burmesische Ballspiel. Es ist eine Mischung aus Fussballjonglierspiel mit einem Ratanball und Tanz. Beim Jonglieren vermochte er die einheimischen Zuschauer zu überzeugen, dem Tanzteil, schenkte er aber nur mässig Beachtung. Später liefen wir an einem Garten vorbei in dem eine lokale Band probte. Sofort wurden wir aufgefordert uns doch zu ihnen zu setzen.

Wieso auch immer, fanden die Jungs ziemlich schnell heraus, dass Domi Schlagzeug spielen kann. Die Band, inklusiv der ganzen Nachbarschaft, war so begeistert, dass sogar alte VHS Kameras hervorgeholt wurden

Die Schirmwerkstatt haben wir an diesem Tag übrigens nicht gefunden.

Nach Pathein sind wir mit dem Bus zum Ngwe Saung Beach, dem letzten Ziel unserer Reise, gefahren. Der Strand liegt 45 km von Pathein entfernt an der Bengalensee. Eigentlich eine kurze Strecke doch dass heisst in Myanmar nicht viel. Der vollgestopfte Bus, welcher mindestens einen der beiden Weltkriege bereits erlebt hat, brauchte für diese Strecke 3 1/2 Stunden. Der Fahrer lieferte sich mit seinem jungen Fahrgehilfen ständig laute Wortgefechte. Wir hatten keine Ahnung um was es bei den Streitereien ging, aber der ganze Bus lachte während der ganzen Fahrt lauthals über die beiden. Der Fahrgehilfe, (ein hier üblicher Beruf wie zb. der Bahnschrankenmann, der Lichtsignal Stromausfallpolizist der Kautabakpreparator, der Weichenstteller, der Luftpumpenwart oder die Erdnussrösterin), hat einige wichtige Aufgaben während einer Busfahrt. Er ersetzt die fehlenden Blinker, bringt geladene Pakete zu den Häusern, kassiert den Fahrpreis ein, weist lautstark andere Fahrer zurecht, schreit den wartenden Leuten das Ziel des Busses zu und hilft dem, trotz Rechtsverkehr auf der rechten Seite sitzenden Fahrer beim Überholen. Dass ein Bus, der für 48 km über drei Stunden braucht, überholen kann sagt einiges über die weiteren Verkehrsteilehmer aus.

Leider bekommt man für Myanmar nur ein 28 Tage Visum so haben wir bis auf einige Abstecher die bekanntesten Highlights besucht, den schon begangenen Trampelpfad sozusagen. So oft es ging haben wir uns einen Weg abseits der Touristenpfade gesucht wo aus unserer Sicht das ursprünglich Myanmar zu finden ist. Den die wahre Sehenswürdigkeit oder besser gesagt Erfahrungswürdigkeit dieses Landes ist das alltägliche Leben der so freundlichen, kontaktfreudigen und natürlichen Menschen, welche mit Stolz, Humor und einer ansteckenden Gelassenheit ihr Leben meistern.

Man merkt dem Land die Aufbruchstimmung nach Jahrzehnten der Militärdiktatur an jeder Ecke an. Gerade die Mischung aus volkommen veralteten Strukturen, dem traditionsbewussten Leben, der tiefen Religiosität, den vielen Einschränkungen durch die langjährigen Sanktionen und den grossartigen Kulturschätzen machen Myanmar so reizvoll. Das Land wirkt wie eine Zeitmaschiene, welche dich immer wieder 30 oder 40 Jahre zurückwirft, und dir an einem anderen Ort das überraschend moderne Myanmar vor Augen führt.

Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass dieses Land sich immer noch ganz am Anfnag des Demokratisierungsprozesses befindet und dass Probleme wie Zwangsarbeit, Korupption, Drogenhandel, Rassendiskriminierung und einschneidende Staatskontrolle allgegenwärtig sind.

Und doch ist es eine Reise wert, denn wir haben uns, ob in der Grossstadt oder im kleinen Bauerdorf ,einfach immer willkommen gefühlt und dies auf eine ehrliche und authentische Weise.

Die Tempel und Pagoden werden die kommenden Jahren und die steigenden Touristenzahlen sicher gut überstehen wir hoffen, dass es auch die Menschen schaffen, ihre Natürlichkeit beizubehalten.

Viele liebe Grüsse von uns zwei und Sorry dass ihr so lange auf diesen Bericht warten mussten.

Noch eine kleine Warnung am Rande: Falls jemand allergisch auf Fotos von Tempel und anderen religiösen Bauwerken reagiert, sollte er die kommende Bildergalerie gar nicht oder nur unter Aufsicht einer medizinischen Fachperson anschauen.