Über magische Blätter, bierbäuchige Indianer und tanzende Gringos.
Von Lima aus gings als erstes Richtung Osten in die Andenstadt Huancayo. Luftlinie sind es eigentlich nur 160 km und trotzdem dauert die Fahrt 9 Stunden. Es liegt da nämlich eine kleine Hügelkette Namens Anden im Weg. Kurz nach Lima beginnt die Strasse zu steigen und tut dies für ganze sechs Stunden. Das Resultat dieses Höhenflugs, ein Höhenunterschied von 4818 m. Für die nächsten drei Wochen bewegten wir uns höhentechnisch immer so zwischen Säntis und Mont Blanc.
In Huancayo sind wir Lucho über den Weg gelaufen. Lucho ist 65 und sieht aus wie ein bierbäuchiger Zwergenversionwinethou. Er führt eine kleines Unternehmen welches in der Region Wandertouren anbietet. Eigentlich wollten wir uns zuerst etwas an die Höhe gewöhnen und nicht schon auf Wanderschaft gehen, doch Lucho sprach so voller Enthusiasmus und Freude über die Tour, dass wir keine Chance hatten Nein zu sagen.
Wir hatten wirklich etwas Bedenken so kurz nach unser Ankunft in den Anden schon Wandern zu gehen doch Lucho meinte es käme ja noch ein Brite und ein älteres Ehepaar mit und das wir das schon schaffen werden. Am nächsten Morgen hat sich dann herausgestellt, dass dieser Brite eigentlich aus Indien stammt und sein Heimatdorf auf 4800 liegt und das das ältere Ehepaar seit einem Jahr mit dem Fahrrad durch Südamerika reist. Na toll dachten wir da werden wir wohl hinterherkeuchen. Mit Hilfe von Unmengen an Cocablätter haben wir den Aufstieg auf 5000 MüM aber Überraschend gut geschafft. Die Wanderung war der Hammer und unser Zeltplatz direkt am Huaytapallanagletscher äusserst speziell. Nur an Schlaf war die ganze Nacht nicht zu denken da es dafür schlichtweg zu wenig Sauerstoff gab. Zurück in Huancayo hat uns Lucho noch zum Abendessen in seinem kleinen Restaurant eingeladen und uns beim Essen Geschichten aus seinem Leben erzählt.
Kurz was zu den Cocablättern: Coca ist ein Strauch, der in 300 bis 2000 Metern Höhe wächst. Das Hauptanbaugebiet mit fast 50 % Anteil an der weltweiten Ernte ist Peru.
Getrocknete Cocablätter enthalten ca. 0,5 bis 2,5 % Alkaloide, davon bestehen bis zu drei Viertel aus Kokain. Cocablätter sind die Basis zur Kokainherstellung, bei der übrigens auch Schwefelsäure und Benzin verwendet wird, weshalb ihr Anbau verständlicherweise streng reglementiert ist. Coca-Cola enthielt übrigens von 1885 bis 1929 Kokain und wurde als Aufputschmittel gegen Müdigkeit angepriesen. Coca hilft gegen Hunger, Müdigkeit, Kälte und die Höhenkrankheit, die hier “Soroche” genannt wird, da die Blätter helfen, die Sauerstoffaufnahme zu erhöhen.
Außerdem werden die großen Blätter als Opfergaben an Pacha Mama, die “Mutter Erde”, verwendet. Man kann Coca entweder als Tee trinken, “Mate de Coca”, oder man kaut die ganzen Blätter
Coca kann man fast auf jedem Markt kaufen und eine große Tüte kostet umgerechnet etwa 25 bis 50 Cent. Mann sollte darauf achten das sie nicht zu trocken sind und man sie biegen kann ohne das sie brechen.
Gekaut werden sie von den Einheimischen meist mit “Lejía” einer knirschigen Pflanzenasche. Lejia dient als Katalysator, wandelt Kokain in ein nicht süchtig machendes Alkaloid um und erhöht außerdem die Wirkung. Lejía kann aus der Asche von Quinoa-Pflanzen oder Kartoffeln bestehen. Es gibt sie in den verschiedensten Geschmackrichtungen: steinhart und salzig, hart und nach Backpulver schmeckend, oder hart oder weich und nach Stevia / Kamille / Banane / Anis / Pfefferminze schmeckend.
Ach ja, der Stiel des Blattes muss auch noch entfernt werden. Für das hält man den Stiel des Blattes in der linken Hand, mit der rechten Hand faltet man das Blatt zur Mitte hin (Oberseite nach oben) und zieht dann gefühlvoll nach rechts. Auf unserer Reise haben wir gelernt das man dies in Bolivien ganz einfach mit den Zähnen macht, ausser in La Paz, wo man das ganze Blatt kaut. Ob das stimmt werden wir sicher noch erfahren. Wir hatten dank diesen magischen Blättern nie grosse Probleme mit der Höhe vielleicht hätten wir dies aber auch ohne sie nicht gehabt. Einen kleinen Nebenefekt hat das kauen der Pflanze. Nach einigen Minuten kauen werden Lippen, Backen und Zunge taub. Nicht umsonst wurden die Blätter früher auch als Betäubungsmittel bei Zahnoperationen benutzt! Die Wirkung verfliegt aber kurz nach dem Ausspucken der grünen Masse wieder.
Mit dem Zug gings von Huancayo weiter ins kleine Städchen Huancavelica. Mit 13 Soles, also etwa 4 Franken war diese 6 stündige Zugfahrt echt günstig. Zugfahren kann in Peru aber auch äusserst teuer sein. Aber zu dem etwas später im Bericht. Huancavelica ist ein kleines schmuckes Andenstädtchen in dem wir irgendwie die einzigen Touristen waren. Da war für unsere unkoordinierten Spanischvokalen endgültig der Moment gekommen sich zu hilfreichen Sätzen zu formieren.
Und einmal mehr haben wir gemerkt, dass sobald man die touristische Hauptreiseroute verlässt, es einerseits schwieriger wird vorwärts zu kommen, man andererseits aber mit der Einsicht ins authentischen Leben der Einheimischen belohnt wird. In Asien heisst diese Hauptreiseroute übrigens Bananapancake Trail in Südamerika wird sie Gringotrail genannt.
Man sagte uns, das es zwar ein Bus nach Ayacucho gäbe, der aber nur in der Nacht fahre und sich momentan nicht mal die Einheimischen getrauen diesen Bus zu nehmen, da sich nächtliche Raubüberfälle auf dieser Strecke gehäuft haben. So mussten wir die neun Stunden in kleinen Sammeltaxis, sogenannten Collectivos, zurücklegen. Oft sind Collectivos kleine Busse manchmal aber auch ganz normale Autos die losfahren wenn sie voll sind. Voll ist aber, wie sauber, pünktlich oder sicher, ein weiterer Begriff, deren Definition sich auf unserer Reise sehr ausgedehnt hat. So durften wir das kleine Auto mit fünf Peruanern teilen.
Ayacucho ist die Stadt in der in den 60er Jahren unter der Führung von Abimael Guzman der maoistisch geprägte Sendero Luminoso entstand. Nach dem Ende der Militärdiktatur 1980 ging diese Gruppe in den Untergrund und löste durch Bombenanschläge und Entführungen einen Bürgerkrieg aus. Bis zur Verhaftung von Guzman 1992 starben in dem Konflikt über 70000 Menschen vorallem aus dem indigenen Bevölkerungsteil. Bis heute sind kleine Gruppen dieser Organisation in den Bergen um Ayacucho aktiv und verdienen ihr Geld mit Drogenanbau und illegaler Abholzung. Am 27. Juli 2015 befreiten Regierungstruppen 26 Kinder, zehn Frauen und drei Männer aus einem Lager des Sendero Luminoso. Die Geiseln, mussten in Produktionslagern arbeiten, Feldarbeit verrichten und Vieh züchten. Eine Woche darauf befreiten Soldaten weitere acht Erwachsene und sieben Kinder aus der Gewalt des Leuchteten Pfads.
Nächstes Ziel war Cusco und wie ist diese Stadt zu erreichen? Klar! mit einem Bus.
Ganz egal in welchem Zustand der Bus auch ist, es gibt einen Platz im Bus der noch viel schlimmer ist. Der Ort nämlich wo unserer beiden Rucksäcke die langen Fahrten verbringen. Was unsere mobilen Kleiderschränke im Verlauf unserer Reise in den dunklen, dreckigen und feuchtwarmen Bäuchen von unzähligen Fahrzeugen erleben mussten wäre für uns kaum auszuhalten. Darum vielen Dank ihr zwei dass ihr uns so tapfer begleitet und Sorry für all dass, was wir euch angetan haben und noch antun werden.
Darum ist es immer wieder spannend in welchem Zustand unser Hab und Gut aus dem Gepäckfach kommt. In Cusco angekommen haben unsere Rucksäcke getropft. Leider war es kein Wasser sondern Chicha. Wir wissen nicht ob es der riesige Höhenunterschied war der das Gefäss zum Explodieren brachte oder ob es ein hinterlistiger Anschlag auf unsere Gringorucksäcke war, auf jedenfall haben wir für Tage nach Alkohol gestunken. Zum Verständnis: Chicha ist eine Art Bier das schon von den Inkas getrunken wurde und im Allgemeinen durch Fermentation verschiedener Pflanzen hergestellt wird. Dabei wird Speichel verwendet welcher die Stärke zu Zucker zersetzt. Daher kommt auch der gelegentliche Name „Spuckebier“. Eine alkoholfreie Variante ist Chicha Morada. Dafür wird violetter Mais ausgekocht und kalt, mit Zucker und Limettensaft verfeinert, als Limonade getrunken.
Cusco hat uns sehr gut gefallen. Die Koloniale Stadt ist zwar etwas touristisch bietet dafür aber alles was man so nach einer Woche in den Anden braucht.
Um das Jahr 1200 herum gründete der erste Inka Manco Cápac, der Sohn der Sonne, mit seiner Schwester Mama Ocllo die Stadt. Das Wort Cusco (Qusqu) entstammt dem Quechua und bedeutet „Nabel der Welt“. Genau dies war Cusco für die Inkas über lange Zeit auch. Von Cusco aus wurde das Inkareich welches sich Zeitweise von Quito im heutigen Equador bis nach Santiago in Chile erstreckte, regiert.
Als Francisco Pizarro die Inkas besiegt hatte und 1535 die Stadt Lima gründete, verlor Cusco seine Bedeutung. Erst als 1911 die Inkastadt Machu Picchu entdeckt wurde stieg die Bedeutung der Stadt wieder. Genau zu diesem Weltkulturerbe wollten wir als nächstes.
Man kann Machu Picchu von Cusco aus auch auf eigene Faust erkunden. Rechnet man aber alles zusammen kommt eine Tour nicht viel teurer. Alleine die knapp zweistündige Fahrt von Cusco nach Aquas Caliente kostet 60 Dollar. Tja! Peru hat hald keinen Preisüberwacher! Da wir kein peruanisches Halbtax haben entschieden wir uns für eine 4 tägige Bikewanderziplinetour. Ein Dank an die M&M's für den Tip!
Am ersten Tag gings mit dem Bike von 4300 MüM auf einer Passstrasse hinunter ins Tal. Resultat nach 3000 Höhenmetern: erster Dömi, zweite Domi. Dies ist aber nicht eine allzugrosse Leistung in einer Gruppe von ängstlichen Koreanern, nicht gerade bergerprobten Holländern und zwei Küstenperuanern.
Übrigens hat es auf der ganzen Fahrt geregnet Nein! Geschifft. In Santa Maria, dem ersten Übernachtungsort war gerade ein Fest zu Ehren irgeneiner Jungfrau. Wo bei uns religiös angehauchte Feste öfters etwas prüde daherkommen so wird in Peru fast jedes Fest mit Musik, Tanz und Alkohol begangen. Nach einer Minute hatten wir bereits ein Bier in der Hand und wurden zum Tanzen aufgefordert. Schnell hat sich herumgesprochen das da Gringos versuchen einigermassen akzeptable Tanzpartner zu sein. Irgendwie wollten alle mit uns Tanzen. Nach zwei Stunden mussten wir aufgeben da uns die Füsse wehtaten,
Ach ja! Als ein Trompetenspieler Lust auf eine Zigarette hatte drückte er Dömi kurzerhand sein Instrument in die Hand. Gemerkt hat man den Unterschied nur wenig, da alle Musikanten bereits mehr damit beschäftigt waren, sich auf den Beinen zu halten als die richtigen Töne zu treffen.
Nach zwei weiteren Wandertagen sind wir dann in Aquas Caliente angekommen von wo wir am nächsten Morgen um 4:30 Uhr die steilen Treppen zur Inkastadt hinaufstiegen. Der Ort ist wirklich eine Reise wert und dank Nebensaison gar nicht mal so überfüllt. Das grandiose Wetter hat ebenfalls dazu beigetragen das dieser beeindruckende Ort positiv in unsrer Erinnerung bleibt. Nach den vier anstrengenden Tagen waren wir echt am Ende und haben von der Zugfahrt nach Cusco nicht mehr viel mitbekommen.
Um nebst der Küste und den Anden auch noch die dritte Region Perus zu erleben sind wir als nächstes nach Puerto Maldonado gereist. 3000 meter tiefer, 20 Grad wärmer und um 60% höhere Luftfeuchtigkeit.
Die geografische Vielfallt und die damit zusammehängenden klimatischen Unterschiede sind wirklich extrem in diesem Land.
Peru wird in Ost-Westrichtung in Costa, Sierra und Selva aufgeteilt. Man könnte also am ersten Tag bei 20 Grad an einem Strand an der Pazifikküste liegen, 6 Stunden Busfahrt später in den Anden auf 5000m und 5 Grad wandern gehen um nach weiteren 6 Stunden im tropisch heissen Amazonasbasin durch den Dschungel schlendern.
Nach 12 Stunden Busfahrt, 1 Stunde mit dem Boot auf dem Rio Madre de Dios, 2 Stunden zu Fuss und nochmals eine halbe Stund mit dem Boot über den Lago Sandoval sind wir in unserer Lodge im Tambopata Natur Reserve angekommen. Auch hier hatten wir riesiges Glück mit unserer Gruppe. Jedes Mitglied war äusserst angenehm. Wir hatten nämlich einen Guide und fast die ganze Lodge für uns alleine. Der 4-tägige Aufenthalt war die gewünschte Abwechslung zu der Zeit in den Anden. Tiere beobachten, kleinere Wanderungen durch den Dschungel oder einfach in der Hängematte den Waldgeräuschen lauschen.
Nächster Stopp: Bolivia
Nach Bolivien werden wir zurück nach Peru reisen und uns dann endgültig auf den Heimweg machen. Dies aber nicht ohne kleine Aufenthalte in Equador, Kolumbien und Kuba. So sieht auf jedenfall unser Plan aus, aber wie wir uns kennen, sind Änderungen nicht auszuschliessen.
Wir wünschen euch allen erholsame Festtage und denkt doch bitte bei dem einen oder anderen Festtagsschmausbissen an uns.
Natürlich auch einen super Rutsch und alles Liebe und Gute fürs 2016 :)
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